Dass die Finanzbildung hierzulande verbesserungswürdig ist, das legen Umfragen immer wieder nahe. So kam eine Untersuchung des Deutschen Instituts für Altersvorsorge aus dem Jahr 2021 zu dem Ergebnis, dass nur etwa ein Viertel der Befragten ihre Kenntnisse zur Börse als gut einstufen. Und laut einer Umfrage der Wertpapieraufsicht BaFin aus dem vergangenen Jahr ist das Finanzwissen hierzulande ausbaufähig. Nur 21 Prozent der Befragten konnten die im Rahmen dieser Umfrage vorgelegten zehn Fragen richtig beantworten – vier von fünf Teilnehmern konnten das folglich nicht.
Dieses mangelnde Finanz-Knowhow hat Folgen für den Vermögensaufbau, wie eine Berechnung des digitalen Vermögensverwalters Growney auf Basis von Bundesbankdaten zeigt: Demnach verzichten die Bundesbürger jedes Jahr auf rund 70 Milliarden Euro an Performance, weil das Ersparte zum Großteil in Bankeinlagen angelegt ist. Dass eine geringe Finanzkompetenz Geld kostet, bestätigt auch eine Untersuchung des Versicherungskonzerns Allianz: So könne eine zu geringe Finanzkompetenz den durchschnittlichen Haushalt in Deutschland jedes Jahr rund 2.300 Euro kosten.
Doch wo ansetzen? Denn eine aktuelle Umfrage von Union Investment kommt zu dem Ergebnis, dass sich überhaupt nur 19 Prozent häufig mit Finanzthemen beschäftigen. Dazu kommt: Finanzwissen wird hierzulande an den Schulen gar nicht oder nur unzureichend vermittelt, während das Thema Geld auch im Elternhaus meist kaum thematisiert wird.
Zahlreiche Ansatzpunkte für mehr Finanzbildung durch KI
Eine gewisse Hoffnung besteht für viele deshalb in der rasanten Fortentwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI). Dabei spielt sie in der Geldanlage bereits eine wichtige Rolle. Laut dem Statistikportal Statista hat sich die Zahl der Nutzer von digitalen Vermögensverwaltungen, den sogenannten Robo Advisors, seit 2017 mehr als verzehnfacht. Dazu kommen erste Fonds, bei denen KI hilft, die Einzeltitel auszuwählen. Und es gibt eine ganze Fülle an Anlageprodukten, die die KI als Investmentthema verfolgen.
Darüber hinaus gibt es aber auch einige interessante Ansatzpunkte, Finanzwissen zu vermitteln und die Finanzbildung zu stärken. Beispielsweise können entsprechende Apps einen spielerischen Zugang zu Finanzthemen bieten. Oder die KI kann, ähnlich wie eine Fitnessuhr, die zu mehr Bewegung animiert, einen Anstoß dazu liefern, sich regelmäßig mit den eignen Finanzen zu auseinanderzusetzen. Die KI bietet so die Chance, im Bereich der Finanzbildung eine große Zielgruppe zu erreichen und diese vor allem auch passgenau anzusprechen. So kann deren intelligenter Einsatz zum Beispiel auch in den Schulen wirken.
ChatGTP selbst nur bedingt hilfreich
Ob Chatbots wie ChatGTP allerdings dabei unterstützen können, ist eine andere Frage. Um das herauszufinden, hat Stefanie van Dawen, CFEP®, Inhaberin der gleichnamigen Familien-Strategieberatung in Euskirchen, dem auf KI basierenden Chatbot ChatGTP verschiedene Fragen gestellt. Und festgestellt, dass die Antworten sehr allgemein und wenig konkret ausfallen und bei den meisten Menschen zu noch mehr Fragen führen dürften. Um wirklich gute und brauchbare Antworten von ChatGTP zu bekommen, müsse man die Fragen und Prompts richtig formulieren, lautet ihr Fazit – doch das ist ohne sehr tiefes Hintergrundwissen gar nicht möglich.
Mit anderen Worten: Zwar kann die KI heute beliebig große Datenmengen verarbeiten und strukturieren, doch zeigt die Erfahrung, dass sich Anlegerinnen und Anleger von der Informations- und Wissensflut, die das Internet und Anwendungen wie ChatGTP hervorbringen, oftmals überfordert fühlen. Unterstützung durch eine Finanzexpertin oder einen Finanzexperten werden sie also weiterhin brauchen. Damit hat sich allerdings auch die Aufgabe der Beratung verändert. Früher war es die Aufgabe einer Beraterin oder eines Beraters, wesentliche Daten und Informationen für die Kunden zusammen zu suchen. Heute geht es verstärkt darum, die Daten zu interpretieren und mit dem Kunden über seine Wünsche und Ziele zu sprechen.
Vorhandene Daten als Spiegelbild der Gesellschaft
Deshalb brauchen Anleger und Anlegerinnen in Finanzfragen auch in Zeiten der KI jemanden, der sie an die Hand nimmt, und dem sie vertrauen, womit Finanzplaner zunehmend zum Finanzcoach werden. Das gilt umso mehr, da noch ein paar andere Aspekte bei der Nutzung der KI für die Vermittlung von Finanzwissen berücksichtigt werden müssen. Zum Beispiel lässt sich feststellen, dass die Daten, die die KI nutzt, nicht immer neutral sind. Alle zur Verfügung stehenden Daten sind letztlich ein Spiegelbild der Gesellschaft und wie in der realen Welt gibt es somit auch hier, wenig überraschend, einen Gender Gap – den Data Gender Gap. Der kann beispielsweise dazu führen, dass Frauen schlechtere Kreditkonditionen bekommen.
Zudem sind zwar alle Informationen zu einem Thema im Internet und folglich auch für eine KI-Anwendung wie ChatGTP verfügbar. Doch kommt es entscheidend darauf an, Falsches von Richtigem zu unterscheiden. Es ist also durchaus so, dass die KI, richtig eingesetzt, die Finanzbildung und das Finanzwissen verbessern kann, was die Menschen durchaus in die Lage versetzen kann, bessere Anlageentscheidungen zu treffen. Eine professionelle Anlageberatung und insbesondere eine umfassende Finanz- und Nachfolgeplanung durch einen CERTIFIED FINANCIAL PLANNER®-Professional oder CERTIFIED FOUNDATION AND ESTATE PLANNER, aber kann sie letztlich nicht ersetzen.
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