
Von Prof. Dr. Rolf Tilmes, EFA, CFP®
Immer wieder zieht es Bundesbürger ins Ausland. Im Jahr 2023 zum Beispiel verließen laut dem Statistischen Bundesamt rund 265.000 Menschen mit deutschem Pass ihr Heimatland, um im Ausland zu leben. Zwar kehrten zugleich auch 191.000 Deutsche aus dem Ausland wieder zurück, doch der Wanderungssaldo der deutschen Staatsbürger ist seit 2005 negativ – das heißt, mehr Menschen verlassen Deutschland als zurückkommen. Dabei zieht es die meisten Bundesbürger gar nicht so weit weg. Laut dem Statistikportal Statista zogen im Jahr 2023 knapp 21.000 Deutsche in die Schweiz – es war damit das beliebteste Zielland der Auswanderer. An zweiter Stelle folgte Österreich mit rund 12.500 Auswanderern, danach die Vereinigten Staaten mit etwa 9.100 und an vierter Stelle kommt das sonnenverwöhnte Spanien mit rund 8.700.
Und es gibt, das legen diese recht unterschiedlichen Zielländer nahe, zahlreiche Gründe dafür, auszuwandern. So ist ein klassischer Grund das sonnigere Klima in anderen Ländern, eine exotische Natur, es kann aber auch einfach die Erweiterung des eigenen Horizonts oder das Erlernen einer Fremdsprache dahinterstehen. Gerade in der zunehmend globalisierten Welt der vergangenen Jahrzehnte gewinnen zudem berufliche Motive an Bedeutung. So gibt es mancherorts bessere Verdienstchancen, aber auch die berufliche Weiterbildung oder einfach die Möglichkeit, in einer globalisierten Arbeitswelt aus dem Ausland heraus zu arbeiten, können weitere Gründe sein.
Sorgen um überbordende Bürokratie und hohe Abgabenlast
Dazu kommen altbekannte Argumente wie die steuerliche Ersparnis oder niedrigere Lebenshaltungskosten. Auch eine gewisse Unzufriedenheit mit den hiesigen Gegebenheiten spielt eine zunehmend wichtigere Rolle. So gibt es Bundesbürger, die sich Sorgen um die Zukunft des Euro oder die politische und steuerliche Stabilität machen. Das gilt nicht zuletzt auch für Unternehmer. Sie machen sich, wie sich im Beratungsalltag immer wieder zeigt, zunehmend Gedanken darüber, ob die hierzulande hohen Energiekosten, die überbordende Bürokratie sowie die hohen und möglicherweise weiter steigenden Steuern und Abgaben für das eigene Unternehmen noch tragbar sind.
Unter Umständen höhere Lebenshaltungskosten
Dass gerade die Schweiz, wo Ende 2023 laut dem statistischen Bundesamt mehr als 316.000 Zuwanderer mit deutschem Pass lebten, und Österreich, wo 225.000 Bundesbürger ihren Wohnsitz haben, sehr beliebt sind, ist dabei wenig verwunderlich. So spricht für die Schweiz die insgesamt geringere Steuerbelastung, für Österreich, dass es dort keine Erbschaftssteuer gibt. Außerdem bieten die beiden Nachbarländer den Vorteil, dass keine Sprachbarrieren bestehen und man seinen Kulturkreis nicht ganz verlassen muss.
Doch so verlockend es für manche klingen mag, für immer woandershin zu gehen, man sollte zuvor alles sehr gut durchdenken und sich mit den Folgen genau beschäftigen. So sollte man nicht vergessen, dass zum Beispiel die Schweiz zwar niedrigere Einkommenssteuersätze aufweist, dafür aber die Lebenshaltungskosten auch deutlich höher sind als in Deutschland. Außerdem gibt man mit dem Umzug ins Ausland womöglich sein persönliches Netzwerk und sein Umfeld auf.
Unternehmensbeteiligungen überprüfen
Doch vor allem gibt es steuerliche und rechtliche Fallstricke, die es zu beachten gilt. Wer beispielsweise weiterhin Immobilien oder Grundstücke in Deutschland besitzt und diese vermietet, muss bedenken, dass diese Einkünfte in Deutschland weiter steuerpflichtig sind. Gerade auch Unternehmer, deren Firma eine Kapitalgesellschaft ist, sollten sich vorab informieren. Wandert der Inhaber einer Kapitalgesellschaft aus, dann behandelt das Finanzamt das in Deutschland weiter ansässige Unternehmen so, als wenn es verkauft werden würde, ohne dass es zu einem Liquiditätszufluss durch einen Veräußerungserlös kommt. Das bedeutet, dass eine Schätzung des Unternehmenswertes durch das Finanzamt stattfindet und der Eigentümer somit entsprechende Steuern auf diesen theoretischen Verkaufspreis zahlen muss.
Unternehmer, die Deutschland verlassen wollen, sollten sich deshalb vorab Gedanken darüber machen, eventuell die Rechtsform ihrer Firma zu ändern und eine neue Firmenstruktur aufzubauen. Das Gleiche gilt übrigens, wenn Kinder, die am Unternehmen beteiligt sind, zum Studium ins Ausland gehen. Allerdings gibt es bei einem vorübergehenden Aufenthalt auch die Möglichkeit, eine Steuerstundung zu beantragen, so dass nach der Rückkehr die Steuerschuld wieder aufgelöst wird. Wenn beispielsweise GmbH-Anteile aufgrund eines unerwarteten Todesfalles ins Ausland fallen, gilt neben der Erbschaftsteuer zusätzlich die Wegzugsbesteuerung. Ab 2025 unterliegen auch Anteile an Investmentfonds der Wegzugsbesteuerung. Eigentlich als Vermeidung einer Steuerumgehung gedacht, erfasst diese Neuregelung sämtliche in- und ausländischen Fondsanteile, bei denen die Anschaffungskosten mindestens 500.000 EUR betragen oder die Beteiligung am Fonds mindestens 1 % der Fondsanteile beträgt.
So spannend und erfahrungsreich ein neues Land auch sein kann, man sollte auf jeden Fall alles prüfen, was steuerlich und rechtlich im neuen Land und bezüglich des verbleibenden Vermögens in Deutschland auf den Auswanderer zukommt. Denn sonst kann man plötzlich mit steuerlichen Belastungen konfrontiert sein, mit denen man so gar nicht gerechnet hat.